a) Erfassung

Das Gesetz sieht in der ersten Phase vor, dass beginnend mit dem Jahrgang 2008 alle Menschen einen Fragebogen erhalten, mit dem sie eine Bereitschaftserklärung zum freiwilligen Wehrdienst abgeben sollen. Männer sind verpflichtet, die Erklärung auszufüllen, Frauen nicht. Die Frage: „Interesse an einem Wehrdienst in der Bundeswehr“ sollte mit NEIN beantwortet werden. „Gewicht“ oder „Selbsteinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit“ unterliegen der ganz persönlichen Fantasie. Wichtig: Die Frage nach dem Interesse an der Bundeswehr mit NEIN zu beantworten, ist keine Kriegsdienstverweigerung! Bereitschaftserklärung und KDV sind völlig unterschiedliche Dinge!

b) Musterung

Der Ablauf der Musterung ist nicht mehr so demütigend wie früher, als man nackt vor dem/r Ärztin stand und in alle Körperöffnungen geschaut wurde. Er dauert ca. 30 Minuten: Seh- und Hörtest, Größe, Gewicht, Urinprobe, Anamnese (Schreiben vom Arzt in Kopie mitnehmen bei chronischen- oder psychischen Erkrankungen), die Unterhose bleibt an. Wer untauglich gemustert wurde, ist für immer raus aus dem Militärapparat. Musterungsbescheid und Anerkennung aufheben, denn sie sind ein Leben lang gültig, aber die Bundeswehr löscht alle Daten nach 10 Jahren.

c) KDV-Antrag

Der Antrag auf Kriegsdienstverweigerung kann jederzeit (vor oder nach der Musterung, bis zum Ende der Wehrpflicht) gestellt werden. Er muss 3 Elemente enthalten:

  • Antragsschreiben, adressiert an das Karrierecenter der Bundeswehr, bestehend aus einem einzigen Satz: „Hiermit verweigere ich den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen gemäß Artikel 4, Absatz 3 des Grundgesetzes.“
  • tabellarischen Lebenslauf: 1 Seite, ohne Bild, nicht wie für eine Bewerbung! Persönliche Daten: Vor- und Nachname, Geburtsort- und Datum, Anschrift, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Kinder (ohne Namen, evtl. Alter), Eltern, Geschwister, Religion/Konfession, wenn in der Begründung von Bedeutung. Werdegang: Grundschule und weiterführende Schulen (Zeiten und Ort), Ausbildung, Studium (Zeit und Ort), Tätigkeit, Ehrenamt, Verein, besondere Lebensereignisse, wenn sie in der Begründung auftauchen und für den Entschluss zur KDV entscheidend waren. Diese kurz mit Datum erwähnen, z.B. Tod eines/r Angehörigen, Krankheit, Reise, Praktikum, Begegnung, Klassenfahrt, Gespräche, Filme.
  • Begründung zum Antrag: mindestens 2 Seiten, sehr persönlich („ICH“ und mein „GEWISSEN“). Die Begründung muss klar aufzeigen, wie es zur Gewissensentscheidung gekommen ist – meist ist das kein Schlüsselerlebnis, sondern ein längerer Prozess. Man kann deshalb mit der Kindheit anfangen – wie ist man aufgewachsen (harmonisches oder schwieriges Elternhaus, viel Streit?), sind die Großeltern im Krieg gewesen? Was haben sie erzählt? Was hat das mit dem Antragsteller gemacht? Ist der Vater oder Bruder bei der Bundeswehr gewesen oder haben sie den Kriegsdienst verweigert? Was haben sie erzählt? Hat man in der Schule Mobbing erlebt? Schlägereien auf dem Schulhof, Klassenfahrten, wurde über Kriege, ihre Ursachen und Auswirkungen im Unterricht gesprochen? … – was hat der Antragsteller empfunden? Ausbildung, Arbeit, Studium, Freundeskreis, …alles, was mitentscheidend für die jetzige Verweigerung war. Nicht nur den Vorgang beschreiben, sondern ein kurzes Beispiel einfügen, so wird es authentisch. Gedanken über die gegenwärtige Weltlage: politische Gründe anführen, aber bei allem immer gleich dazu schreiben, was es mit dem Antragsteller macht, was es in ihm auslöst, welche Gedanken, Vorstellungen er hat. Verein, Ehrenamt, was macht er dort? Was erlebt? Vielleicht kennt er Leute, die bei der Bundeswehr waren, vielleicht sogar im Auslandseinsatz? Was stellt sich der Antragsteller vor, wenn er an dieser Stelle wäre? Könnte er das mit seinem Gewissen vereinbaren?

Zum Schluss alle drei Dokumente unterschreiben, Kopien abspeichern, die drei Papiere in einen Umschlag und per Einschreiben/Rückschein an das Karrierecenter der Bundeswehr, das für den Wohnort des Antragstellers zuständig ist (für Baden-Württemberg das Karrierecenter in Stuttgart). Wer zum Zeitpunkt des Antrags noch nicht gemustert ist, wird zunächst zur Musterung vorgeladen. Ist man tauglich gemustert, wird der Antrag weiter an das zivile Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln zur schriftlichen Bearbeitung geschickt. Die Bearbeitung kann mehrere Monate dauern. Hat man seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer erhalten, bedeutet das, dass man im Spannungs- oder Verteidigungsfall zwar immer noch eingezogen werden kann, aber nur zu einem Dienst im zivilen Bereich außerhalb der Bundeswehr – kein Dienst an der Waffe, kein Töten (GG Art. 12a Abs. 2).