Am 10. Dezember 2022 bei der Kundgebung und Demo des Friedensbündnisses Mannheim
Friedenslogik statt Kriegslogik aus Anlass des Tags der Menschenrechte
Samstag vor dem 3. Advent, Tag der Menschenrechte im Rücken, das große Fest vor und im Kopf. Es
sind immer noch schlimme Zeiten. Mittlerweile mehren sich die Stimmen, die sich und uns auf eine
lange Abnutzungsschlacht in der Ukraine einstellen.
Deswegen ist es gut, dass wir zusammenkommen und uns noch einmal in diesem Jahr gegen den
Krieg stellen und gegen die einfachen Lösungen, die er verspricht. Das nämlich ist das Verführerische
und so abgrundtief Böse an ihm: Der Krieg will uns glauben machen, dass durch ihn alles schnell und
einfach erledigt werden kann.
Das hat sich die russische Führung gedacht, als sie aus dem schwelenden Konflikt heraus diesen Krieg
in seiner ganzen Ausdehnung, in seiner Brutalität, mit all der Zerstörung ziviler Infrastruktur im
Februar vom Zaun gebrochen hat. Dafür gibt es keine Rechtfertigung und kein Verständnis.
Hier denken das nun auch viele, dass nur mit noch mehr Krieg dieser Krieg beendet werden kann.
Aber so wird es nicht sein: Der Krieg hat schon Unmengen an Opfern gefordert und er wird es weiter
tun, bis die Waffen endlich schweigen. Der Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ist und bleibt ein
Verbrechen an den Menschen. Er ist und bleibt ein Verbrechen an alle Lebewesen dieser Erde. Der
Krieg ist also ein Verbrechen an der ganzen Schöpfung.
Was aber tun? Was tun, damit das Töten und Morden, das Zerstören und Vernichten endlich aufhört:
Das Leben soll ja wieder neu wachsen. Das Land muss wieder aufgebaut werden. Die Soldaten sollen
endlich wieder nach Hause zu ihren Familien, zu ihren Freundinnen und Freunden, zu ihren
Kolleginnen und Kollegen. Was tun, damit endlich Frieden zurückkehrt?
Mein Eindruck ist, das weiß niemand derzeit. Waffen liefern oder nicht? Embargo oder nicht? Totale
Isolation des Aggressors oder vielleicht doch die Gesprächskanäle öffnen? Ich erlebe an vielen Stellen
auch nach zehn Monaten ein hilfloses Rumstochern und planloses Suchen nach den richtigen
Antworten. Und ich erlebe manche, die sich diese Situation politisch, gesellschaftlich zu Nutze
machen, um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen. Die Auswirkungen kennt ihr alle.
Nur eines scheint mir klar: Von niemandem kann ich in dieser Welt erwarten, dass er sich einem
Aggressor einfach so ausliefert, sich nicht wehrt und das Böse einfach so über sich ergehen lässt. Das
kann ich nicht erwarten und das will ich auch nicht erwarten. Wer sich verteidigen will, der muss die
Möglichkeit dazu haben. Denn wenn wir schon von den Menschenrechten reden an diesem Tag,
dann sage ich auch: Die Unversehrtheit des Lebens ist genau solch ein Menschenrecht.
Nun bin ich gebeten, ein Wort aus Sicht der Kirche dazu zu sagen. Aber, das kann ich gar nicht. Ich
kann das nicht, weil es die Sicht der Kirche auf die anstehenden Fragen gar nicht gibt. Die einen sind
für Waffenlieferungen, die anderen für zivile Verteidigung, die nächsten erkennen, dass sie einfach
ratlos dastehen. Die Kirche ist ein Spiegel der Gesellschaft, was sie eint und auch mit uns heute
verbindet, ist die Sehnsucht nach dem Frieden. Gerade in diesen Zeiten. Also kann ich nur was sagen
dazu, was ich aus den Grundlagen der Kirche und des Glaubens lese.
Und da kann ich in diesen Tagen natürlich nur über Weihnachten reden. Die Geschichten dieser Zeit
erzählen von Gott, der als schwaches Kind in eine lebensfeindliche Welt kommt. Er will das Leben
retten, Licht in die Finsternis bringen. Neues Leben in einer todbringenden Welt. Aber die Menschen
verstehen es nicht und können es nicht. Seither ist das unser Auftrag.Deswegen ist für mich in diesen Tagen vollkommen klar. Wir müssen alles daransetzen, die Waffen
zum Schweigen zu bringen, damit das Sterben und Zerstören aufhört und der ganze Krieg nicht
immer weiter eskaliert. Das geht nur, indem man miteinander redet und verhandelt und sich den
Verführungskünsten des Krieges, seiner inneren Logik entzieht.
Es soll doch keiner sagen, das bringe nichts. Natürlich ist das alles mühselig und schwer und
frustrierend und scheinbar sinnlos zugleich. Aber wer es nicht unablässig versucht, der wird auch
keinen Erfolg haben. Das Reden und Verhandeln ist die Hauptaufgabe der Diplomatie. Eine
Diplomatie, die das nicht tut, die brauchen wir nicht. Erst dann nämlich, wenn die Waffen schweigen,
wird überhaupt der Raum entstehen, dass man die Zukunft planen kann. Das ist die Logik des
Friedens.
Deswegen ist für mich in diesen Tagen auch vollkommen klar, dass wir nicht bei dem Nachdenken
zum Frieden in der Ukraine stehen bleiben können: Wir brauchen endlich auch Frieden im Jemen und
es ist ein Skandal, dass sich im sog. Westen überhaupt keine Stimmen finden, die hier den Aggressor
so verurteilen und sanktionieren wie in der Ukraine. Diese elende Kumpanei mit den Verbrechern in
Saudi-Arabien muss ein Ende haben.
Wir brauchen endlich auch Frieden in den kurdischen Gebieten, die unablässig der militärischen
Aggression der Türkei unterliegen. Und wir brauchen Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit im Iran, in
Äthiopien, in Mali, im Nahen Osten und Frieden für die Menschen, die auf der Flucht vor Armut und
Krieg in Europa einen Ort zum Leben suchen.
Ein letztes noch: Es ist natürlich auch vollkommen klar, dass wir die Situation im eigenen Land nicht
aus den Augen verlieren dürfen, wo Menschen unter den hohen Kosten für Lebensmittel und Energie
ächzen und Hartz IV jetzt zwar Bürgergeld heißt, aber die Vermögenden immer noch nicht den
Beitrag zur Gestaltung dieser Gesellschaft beitragen, der notwendig, richtig und gerecht wäre.
Es bleibt viel zu tun im laufenden Jahr. Das wird auch 2023 nicht aufhören. Genau deswegen muss
und wird die Rettung jedes Lebens als ein lebenswertes und würdiges unsere Aufgabe bleiben. Und
die packen wir an.
Einen guten und frohen Advent und gesegnete Weihnachten. Ich danke Euch.
Maximilian Heßlein
Wirtschafts- und Sozialpfarrer beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, KDA, Mannheim
Tel 28000171 maximilian.hesslein@ekiba.de