Die Welt schaut entsetzt und hilflos auf die Katastrophen in der Ukraine und in Gaza. Viele unterstützen dennoch die Verantwortlichen, die in einer Fortsetzung des Krieges ihre Rettung suchen und entsprechend der Sunken Cost Fallacy handeln. Dies ist eine Falle, in die wir geraten, wenn wir einen verlorenen Einsatz
nicht hinnehmen wollen und versuchen, mit noch mehr Einsatz doch noch einen Erfolg zu erzwingen, statt den Verlust einfach mental abzuschreiben und etwas anderes zu probieren. „Die gefallenen Kameraden dürfen nicht umsonst gestorbensein!“ ist dann zu hören.
Interessenskonflikte zwischen Ländern entwickeln sich meist über längere Zeit und eskalieren bis zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die letzten Endes doch durch Verhandlungen gelöst werden müssen. Das Ergebnis eines solchen Verlaufs sind für alle Parteien immer sehr viel größere Verluste als eine Verhandlungslösung vor einem Krieg.
Das zeigt sich gerade deutlich in den Kriegen gegen die Ukraine und in Gaza. Selenskyj war anfangs zu schmerzlichem Verzicht bei Verhandlungen bereit, um einen sehr verlustreichen Krieg zu verhindern. Vor allem Amerika hat ihn dann durch versprochene Waffenlieferungen zum Krieg ermutigt, da es Russland durch
einen langen Abnutzungskrieg militärisch schwächen will.
Auch Putin hat kein Interesse an einem baldigen Ende des Kriegs, da er befürchten muss, dass der verbleibende Teil der Ukraine Nato-Mitglied wird und er somit sein Kriegsziel verfehlt hätte und er zumindest seine Macht verlieren könnte.
Selenskyjs politische Zukunftsaussichten wären nach so vielen unnötigen Toten bei den selben Zugeständnissen wie zu Beginn des Konflikts ebenfalls düster, weil er sich die Frage gefallen lassen müsste, wofür die Menschen gestorben sind. So scheint für die jeweils Regierenden eine Fortführung des Krieges die bessere
Option.

Auch in Gaza haben beide Parteien ein Interesse an der Fortführung des Kriegs. Netanjahu wäre ohne Vernichtung der Hamas nur für die ungeheure Zahl von getöteten Zivilisten verantwortlich und würde seine Macht verlieren. Die Hamas kann mit jedem Toten auf Zulauf hoffen. Außerdem können sie darauf hoffen, ihre
politischen Ziele durch die Empörung in der Welt und den Hass in den arabischen Staaten zu erreichen.
Wie im Krieg in der Ukraine scheint auch hier für die Entscheider die Fortsetzung des Krieges die bessere Alternative, im Gegensatz zur Bevölkerung und zu den Soldaten.

Wieso haben dann aber so viele ehemalige Pazifisten ihre Haltung geändert und unterstützen nun die Kriege?
Da sie nicht wussten, wie man diese Konflikte friedlich lösen kann, entschieden sie sich für die Kriegsführung, nach der Logik eins von beiden muss ja richtig sein. In unseren Köpfen ist fest verankert, dass Gewalt das letzte Mittel ist, und man gelangt dann intuitiv nach dem Ausschlussverfahren zur Gewalt als Mittel, wenn man keine friedliche Lösung findet. Tatsächlich dient die Gewalt dann aber eher als Ventil für Frust. Denn auch wenn Gewalt immer nur das letzte Mittel sein sollte, bedeutet das nicht, dass sie automatisch immer zu einer Lösung führt. Selbst wenn man Gewalt nicht grundsätzlich ablehnt, muss Gewalt doch richtig eingesetzt werden. Denn jeder wird zustimmen, dass es auch sinnlose Gewalt gibt, die gar kein Problem löst, sondern vor allem neue Probleme schafft. Menschen, die in der Ukraine oder im Nahen Osten Gewalt befürworten, wollen damit auch die Gegenseite erziehen. Aber der Hamas schadet die Gewalt nicht, sondern ist Teil ihres Kalküls, um neue Märtyrer zu schaffen, mit denen man neue Leute rekrutieren kann. Israelische Gewalt fungiert hier nicht als Strafe, sondern als Belohnung für die Terrorbemühungen der Hamas.
Das Kriegsziel Israels: die Vernichtung der Hamas ist nicht ohne die Vernichtung großer Teile der Zivilbevölkerung zu erreichen. Dies wird neuen Hass sähen und Israel wird keines Falls sicherer werden. Hier dient die Gewalt nur der israelischen Regierung, die mit dem Sieg über die Hamas einen Pseudoerfolg vorweisen kann, um davon abzulenken, dass sie es nicht schafft, für mehr Sicherheit zu sorgen.

Wer in der Flüchtlingspolitik fordert, Menschen zu schützen statt Grenzen, der kann nicht im Ukrainekrieg fordern, Menschen an der Front zu opfern, um Grenzen zu schützen.
Die größte Gefahr für alle Menschen ist doch der Klimawandel, der noch viele Kriege weltweit nach sich zu ziehen droht und viel gefährlicher ist als jede feindliche Armee. Diese Gefahr ist nur durch gemeinsames Handeln aller Verantwortlichen auf der Erde abzuwehren, dazu müssen wir allerdings mit weit
schwierigeren Despoten als Putin erfolgreich verhandeln.

Und dabei haben wir noch nicht über die Vernichtung dringend benötigter Ressourcen durch den Krieg und über die CO2-Emissionen in Kriegen gesprochen.

Deswegen brauchen wir Abrüstungsverträge, Waffenstillstandsverhandlungen und Zusammenarbeit, statt uns wie im Kalten Krieg in verschiedene Machtblöcke auseinander dividieren zu lassen. Wenn uns Menschen die Gefahr auszusterben nicht einen kann, dann kann uns auch keine Militärausgabe der Welt vor dem
Untergang retten.