Mit eindrucksvoller Fülle an Daten, Fakten und Zitaten zeigt Ronnefeldt zivile Alternativen
Friedensreferent Clemens Ronnefeldt
Zur Person
Clemens Ronnefeldt 1960 in Worms geboren, seit 1992 ist er Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes. Von 1992 bis 2001 engagierte er sich in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Serbien in Flüchtlingslagern sowie bei der Unterstützung von Friedensgruppen.
2002, 2006, 2008, 2010, 2013 und 2015 nahm Clemens Ronnefeldt an Friedensdelegationen teil, die ihn nach Israel und in die palästinensischen Gebiete führten. 2004 war er in Syrien und im Libanon, 2005 im Iran. 2009 und 2011 reiste er erneut in den Libanon, 2011 und 2012 nach Ägypten, 2014 nach Jordanien, 2016 in die Türkei und 2019 in den Libanon, wo er jeweils mit Vertreter/innen aus dem Bereich der Friedens- und Menschenrechtsarbeit, aus Politik und den verschiedenen Religionen sprach. Er lebt in Freising bei München.
Rund 40 Personen kamen am 21. September, dem Internationalen Tag des Friedens in das Ökumenische Bildungszentrum sanctclara, um den Vortrag von Clemens Ronnefeldt zu hören.
Prowestliche und prorussische Kräfte verschärfen den Konflikt
Mithilfe einer Karte über das Wahlergebnis in verschiedenen Wahlkreisen zeigte Ronnefeldt, wie polarisiert die Ukraine bei bei einer früheren Präsidentenwahl war. Der prowestliche Kandidat Juschtschenko hatte in den westlichen Regionen Stimmenanteile von 60 Prozent und mehr, während der auf Russland orientierte spätere Präsident Janukowitsch vor allem im Donbas und der Ostukraine vergleichbar hohe Stimmenanteile erzielt hatte. Als sich Janukowitsch 2013 weigerte, dass Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine zu unterzeichnen, gab es massive Bevölkerungsproteste insbesondere in der westlichen Ukraine und Kiew, die dort schließlich zu den wochenlangen Euromaidan-Protesten führten. Am 20. Februar 2014 wurden dort rund 100 Menschen von Scharfschützen getötet, wobei bis heute ungeklärt ist, wer dafür verantwortlich ist. Klar ist hingegen, dass die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Ukraine zwischen der ukrainischen Regierung und den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk mit vielen Todesopfern laut den Angaben der Beobachtermission der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) von beiden Seiten zu verantworten sind.
Putins verhängnisvolle Wandlung
Bezogen auf Putin ließ Ronnefeldt keinen Zweifel daran, dass er dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilte. Statt Putin zu dämonisieren, nannte er wichtige politische Stationen und Taten des Kremlchefs. 1989 war Putin KGB-Geheimdienstoffizier in Dresden, wo er den Niedergang der DDR erlebte. Dieser endete unblutig im Gegensatz zu den Protesten in Peking, die die chinesische Regierung 1989 blutig niederschlug.
Auf Putins Rede im Deutschen Bundestag 2001 (für die Horst Teltschik, ehemaliger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und Kanzlerberater, der Ghostwriter war) folgten die Jahre, in denen er mit seinem rücksichtslosen Einsatz im Tschetschenien-Krieg, der Krim-Anexion plus Unterstützung der ukrainischen Separatisten bis hin zum Syrienkrieg militärische Mittel immer ungehemmter einsetzte. Gleichzeitig schränkte er die Demokratie und kritische Stimmen in Russland durch Verbote und Repression immer mehr ein.
Westliche militärische Sicherheitspolitik wirkt eskalierend
Zum Verhältnis von Nato und Russland wies Ronnefeldt auf die Nato-Russland-Grundakte als ein wichtiges Abkommen hin. Dass der Westen in seinem Umgang mit Russland russisches Roulett spiele – so Teltschik – und Grund habe über eigene Fehler nachzudenken habe – so Wolfgang Ischinger am 14. Februar 2022 – erwähnte der Referent ebenfalls. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), eine für die Bundesregierung wichtige Denkfabrik, veröffentlichte am 11. Februar 2022 einen Aufsatz von Wolfgang Richter, in dem er auf die Mitverantwortung des Westens für Eskalation bis hin zum Ukraine-Krieg hinweist.
Exemplarisch seien erwähnt, der völkerrechtswidrige Kriegseinsatz der Nato im Kosovo-Jugoslawien-Krieg ohne UN-Mandat und dass die USA mit ihrer Militärpräsenz in Georgien 2002 gezielt eskalierten. Die unrühmliche Rolle zahlreicher Medien in der Darstellung und Bewertung des Ukraine-Krieges zeigte sich auch darin, dass es eines Artikels im Spiegel bedurfte, um auf eine lange ignorierte Tatsache in Erinnerung zu bringen. Gorbatschow hat der deutschen Vereinigung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass sich die Nato nicht weiter nach Osten ausdehnt.
Mit Bezug auf die Wolfowitz-Doktrin machte Ronnefeldt deutlich, dass zwischen den USA und Deutschland immer wieder Interessengegensätze deutlich werden und diese auch in der Nato eine Rolle spiele . Welche Rolle die Nato für die Ukraine haben sollte, führten bereits 2008 zu einer Spaltung des Landes wie die Deutsche Welle berichtete.
Ziviler Widerstand gegen den Krieg
Auch wenn der Krieg durch die Ausweitung der Kriegsziele durch die USA und die Einberufung von 30.000 Reservisten in Russland derzeit in beängstigendem Maße eskaliert wird, gibt es auch Fakten die Alternativen zeigen. So zeigt das Abkommen zwischen Ukraine und Russland über Getreidetransporte mit Schiffen aus Odessa, dass Verhandlungen möglich und sinnvoll sind. Aufschlussreich sind die Ergebnisse einer Meinungsumfrage in der Ukraine, bei der gefragt wurde, mit welchen Mitteln man sich gegen eine drohende beziehungsweise eine erfolgte militärische Invasion wehren sollte. In beiden Fällen sprachen sich mehr Befragte für zivilen Widerstand aus als für bewaffneten Gegenwehr.
In Russland engagieren sich die Soldatenmütter gegen den Krieg und unlängst stimmte ein Bezirksbeirat in Sankt Petersburg dafür, Präsident Putin wegen des Krieges anzuklagen. Bislang politisch unauffällige prominente Personen aus der russischen Kulturszene haben sich unlängst offen gegen den Krieg ausgesprochen wie etwa Pop-Star Olga Pugatschowa. Auch in der Ukraine gibt es Stimmen gegen den Krieg wie etwa die Ukrainische Pazifistische Union, die sich für Verhandlungen und gegen Militäreinsätze ausspricht.
Friedensplan vorgelegt
Zur Frage, wer im Ukraine-Krieg vermitteln könnte, wies Ronnefeldt auf den von der italienischen Regierung im Sommer vorgelegten Friedensplan hin. Mehr schwere Waffen aus Deutschland in die Ukraine zu schicken (zusätzlich zu dem von den USA gelieferten Militärmaterial im Wert von 53 Milliarden US-Dollar) wird nicht nur von der Friedensbewegung sondern auch vom Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn abgelehnt wegen des damit verbundenen Eskalationsrisikos. Derartige Skrupel kennt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP, nicht. Schon vor dem Ukraine-Krieg hat sie sich vehement für höhere Rüstungsausgaben eingesetzt wie das Kampfflugzeug Future Combat Aircraft, FCAS. Dass sie Mitglied der Deutschen Wehrtechnischen Gesellschaft ist, die sich für die Interesse der Rüstungsfirmen einsetzt, verwundert nicht.
Was kann man tun?
Ronnefeldt widmete sich auch der Frage, was man für ein Ende des Blutvergießens tun kann. Sich immer wieder für Waffenstillstand und Verhandlungslösungen auszusprechen, nannte er ebenso wie auch beispielsweise die Teilnahme am dezentralen Aktionstag am 1. Oktober mit dem Motto „Verhandeln statt schießen“. Für wichtig hält er es, dass man bekannt macht, wie sich verschiedene Menschen in Russland, Belarus und Ukraine mutig gegen den Krieg und für Verhandlungen einsetzen. Gerade jetzt gelte es, dass die EU und die Bundesregierung Kriegsdienstverweigerern und Menschen, die sich der Einberufung entziehen, unterstützen und Asyl gewähren.
Militärmanöver und Krieg belasten das Klima
Zum Schluss nannte Ronnefeldt Beispiele wie Krieg und dessen Vorbereitung (wie etwa Manöver) die Umwelt und das Klima belasten. Allein schon ein Leopard-Panzer verbraucht so viel Diesel wie Hundert PKWs. Um die USA bei ihren demonstrativen Militäraufmärschen gegen die chinesischen militärischen Machtdemonstrationen zu unterstützen, entsandte die Bundeswehr sechs Eurofighter nach Singapur. Dazu mussten die Maschinen sechs Stopps einlegen, um neu aufgetankt zu werden.
Als Fazit der Abend kann zweierlei festgehalten werden. Aufgrund der von Ronnefeldt dargestellten Fakten wurde einerseits deutlich, dass der Krieg immer schlimmere Auswirkungen hat. Andererseits ist es um so dringender, Argumente gegen die von der Ampelregierung und der CDU vorangetriebene militärische Sicherheitspolitik in die Diskussion zu bringen.
Verfasser: Otto Reger (DFG-VK Mannheim / Ludwigshafen) mit Ergänzung von Hedwig Sauer-Gürth